Bürgerentscheid zum Bahnprobebetrieb

 - Für besondere Verdienste um die kommunale Selbstverwaltung wurde Kreisrat Georg Bruckner zu Beginn der Sitzung ausgezeichnet. Landrat Michael Adam (re.) überreichte ihm die Urkunde und die Medaille. Foto: Langer/Landkreis Regen

Viechtach. Eigentlich wäre die Bahnprobebetriebsthematik erst der neunte Tagesordnungspunkt der letzten Kreistagssitzung des Jahres 2014 gewesen. Ein interfraktioneller Antrag hatte aber eine Vorverlegung gefordert und einstimmig folgten die Kreisräte diesem Wunsch. Und so konnten die rund 120 Zuschauer in der Mensa des Gymnasiums Viechtach erleben, wie sich der Kreistag – nach mehr als zweistündiger Diskussion – für einen Bürgerentscheid aussprach.

Aber der Reihe nach. Die Kreisräte hatten theoretisch drei Möglichkeiten, diese wurden von Landrat Michael Adam vorgestellt. Das Gremium konnte entscheiden zwischen dem interfraktionellen Antrag, den fünf CSU-Kreisräte (Franz Wittmann, Birgit Nistler, Edwin Schedlbauer, Siegfried Niedermayer, Horst Blüml), fünf Kreisräte der Unabhängigen (Heinrich Schmidt, Walter Schlicht, Anton Alt, Monika Müller, Hans Greil) sowie eine ÖDP-Rätin (Brigitte Baueregger) gestellt hatten, dem Vorschlag der Verwaltung und dem Antrag auf Bürgerentscheid der Kreisrätin Rita Röhrl. Der interfraktionelle Antrag sah der Zustimmung zum Probebetrieb und beim Scheitern eine Kostenbeteiligung des Landkreises von zehn Prozent vor. Der Verwaltungsvorschlag sah einen Bürgerentscheid auf Landkreisebene mit maximal 400000 Euro Kostenbeteiligung, einem Busergänzungsverkehr zur Bahnlinie bei erfolgreichem Bürgerentscheid und die Einführung einer Expressbuslinie Viechtach-Gotteszell bei gescheitertem Bürgerentscheid vor. Auf Antrag von Helmut Brunner wurde hier zudem noch aufgenommen, dass das Bürgervotum auch bei nicht Erreichen des Quorums, sprich, wenn weniger als 15 Prozent der Wahlberechtigten die Mehrheit sind, umgesetzt wird.

Eine mehr als zweistündige Diskussion schloss sich an die Antragsvorstellung an. Bürgerentscheidbefürworter wie Gegner ergriffen das Wort. So stellte die Kreisrätin Röhrl (SPD) fest, dass in den vergangenen 36 Jahren kein Thema so heiß diskutiert worden sei, deswegen halte sie es für angemessen, dass die Bürger sich aktiv einbringen können. Auch Staatsminister Helmut Brunner (CSU) stimmte dem zu und verwies darauf, dass auch sein Kabinettskollege Innenminister Joachim Herrmann einen Bürgerentscheid für ein legitimes Mittel halte. Brunners Meinung nach könnte ein Bürgerentscheid durchaus eine „demokratische Sternstunde“ im Landkreis sein. Diesen Ansichten widersprachen Heinrich Schmidt (Unabhängige UA), Günther Iglhaut (ÖDP), Werner Blüml (CSU) Georg Bruckner (SPD), Sigrid Weiß (Grüne), Edwin Schedlbauer (CSU), Brigitte Baueregger (ÖDP) und zahlreiche weitere Kreisräte. Sie alle setzten sich dafür ein, dass der Kreistag sich zu einem Probebetrieb entschließen solle. Walter Schlicht (UA) sprach gar von einer „kleinen Entmannung des Kreistages“ sollte der Bürgerentscheid beschlossen werden. Die Grüne Kreisrätin Damar Spiewok meinte, dass die Bürger bereits ihre Stimme abgegeben hätten und mit „Tausenden Unterschriften“ für die Bahn gestimmt hätten. Monika Müller (UA) sprach von einer „historischen Entscheidung“ also sollten sich die Kreisräte auch „historisch verhalten“. Birgit Nistler (CSU) forderte die Gleichstellung der Landkreisteile. Der dritte Landrat Erich Muhr (SPD) sieht im Probebetrieb eine „große Chance“ und drückte so das Empfinden der Befürworter aus und Viechtachs Bürgermeister Franz Wittmann (CSU) sprach auch davon, dass die Bahn wirtschaftlich notwendig sei. Zudem verwies er darauf, dass ein erfolgreicher Probebetrieb ein wichtiger Schritt in Sachen ÖPNV sei, der „gar nichts“ koste.

Dass die Befürworter einer Bürgerentscheidung dies anders sahen, liegt in der Natur der Sache. So forderte beispielsweise Walter Nirschl (Freie Wähler FW), dass man einen guten ÖPNV im gesamten Landkreis brauche, die Erreichung von 1000 Fahrgastkilometern auf der Strecke Gotteszell-Viechtach nannte er „reines Wunschdenken“, das realistisch nicht zu erreichen sei. Röhrl betonte, dass sie sich als Bürgervertreterin sehe und sie sehe in der Bevölkerung keine Mehrheit für die Bahnreaktivierung. Auch Willi Köckeis (CSU), Walter Fritz (CSU) und zahlreiche andere Kreisräte sahen kein Problem in einer Beteiligung der Bevölkerung. Möglicherweise sei dies sogar eine Möglichkeit mehr Interesse bei der Bevölkerung zu wecken, denn ein Probebetrieb könne nur gelingen, wenn viele Menschen die Bahn wirklich nutzen.

Landrat Adam gab als Letzter sein Statement ab. „Ich möchte, dass die Bevölkerung entscheidet“, sagte er, deswegen werde er gegen den interfraktionellen Antrag stimmen. Er werde sich dann für den Verwaltungsvorschlag aussprechen und den Bürgern die Annahme des Probebetriebs empfehlen. Er habe sich stets für die direkte Demokratie eingesetzt und habe sich bei wichtigen Fragen immer für Bürgerentscheide ausgesprochen, deswegen unterstütze er jetzt auch einen solchen.

Spannend wurde dann die Abstimmung zum interfraktionellen Antrag, bei der namentlich abgestimmt wurde. Während bei der CSU und der SPD eine Mehrheit für die Ablehnung stimmte, stimmten die Unabhängigen, die ÖDP, die Grünen, die IG Frauen und die FDP  alle für den Antrag, so dass letztendlich die Freien Wähler das Zünglein an der Waage waren. Nur einer von ihnen stimmte für den Antrag, so dass der Antrag am Ende mit 27 zu 29 Stimmen abgelehnt wurde.

Die Ablehnung hatte zur Folge, dass dann über den Verwaltungsvorschlag abgestimmt werden konnte, denn wäre der Antrag angenommen worden, wäre die Entscheidung gefallen gewesen. Der Verwaltungsvorschlag wurde dann mit 51 zu fünf Stimmen angenommen, so dass Anfang 2015 ein Bürgerentscheid stattfinden kann. Auch die weiteren Verwaltungsvorschläge wurden mehrheitlich angenommen. So stimmten 48 Kreisräte für die Empfehlung den Probebetrieb zu befürworten. Einstimmig stimmten die Räte auch dafür, dass im Falle eines erfolgreichen Bürgerentscheids im Probebetrieb auch Ergänzungsleistungen angeboten werden. 47 Kreisräte stimmten zudem dafür, dass bei einer Ablehnung des Probebetriebs eine Expressbuslinie mit entsprechendem Zubringerverkehr angeboten wird. Einstimmig stimmten die Kreisräte zudem dafür, dass der Bürgerwille auch umgesetzt wird, wenn das Quorum nicht erreicht wird.

Danach konnte die Kreistagssitzung wie vorgesehen mit dem eigentlich ersten Tagesordnungspunkt fortgesetzt werden. Hier stimmten die Kreisräte einstimmig einer Änderung der Schutzgebietsverordnung im Gebiet der Gemeinde Kirchberg im Wald zu. Diese Änderung war notwendig geworden, da die Kommune ein neues Baugebiet erschließen möchte.

Einstimmig stimmten die Kreisräte auch der Gründung einer Integrierten ländlichen Entwicklung (ILE) im Rahmen des Aktionsprogramms Bayerwald zu. Die Bayerwald ILE, zu der fünf Landkreise zählen, soll ermöglichen, dass weitere Zuschüsse und Fördergelder in die Region fließen.

Christian Schmitz, der Vorstand der selbständigen Kommunalunternehmen Kreiskrankenhäuser Zwiesel und Viechtach, informierte das Gremium über die Entwicklung der Kreiskrankenhäuser. Demnach rechne er mit einem niedrigeren Defizit als geplant. Möglicherweise liege man im laufenden Jahr sogar unter einer Million Euro, was im niederbayernweiten Vergleich ein guter Wert sei. Besonders kostenintensiv war die Wiederinbetriebnahme der Geburtenstation Zwiesel, hier habe er aber einen Sicherstellungszuschlag beantragt, sollte dieser kommen, dann könne man das Defizit deutlich reduzieren. Positiv sei zudem, dass in beiden Kreiskrankenhäusern die Fallzahlen steigen. Gestiegen seien aber auch die Personalkosten und der Kostendruck im Gesundheitswesen, dennoch könne man positiv gestimmt in das neue Jahr gehen. Der OP-Anbau im Zwiesel liege im Kostenrahmen und auch bei den Bauarbeiten in Viechtach sei man gut vorangekommen, wenngleich man eine zeitliche Verschiebung hinnehmen musste. Beim Bauabschnitt zwei in Viechtach wolle man 2015 die Planungen intensivieren. Hier gab es die Zustimmung der Kreisräte, dass Schmitz mit einem Eigenanteil von bis zu drei Millionen Euro planen könne. Sollten die Kosten höher sein, dann könnte dies der Kreisausschuss beschließen.

Nachdem die Inhalte der nächsten Tagesordnungspunkte bereits öffentlich vorberaten war, konnte ohne Diskussion abgestimmt werden. Der stellvertretende Landrat Willi Killinger wurde einstimmig zum Vertreter des Landrats im Kuratorium der Erwin-und-Gretl-Eisch-Stiftung benannt. Ferner stellten die Räte die Jahresrechnung 2013 fest. Sie genehmigten alle außerplanmäßigen Ausgaben und sie entlasteten den Landrat.

Den Beteiligungsbericht des Landkreises Regen nahmen sie zur Kenntnis. Diskussionen gab es allerdings bei der von der Rechnungsprüfung vorgeschlagenen Beendigung der Mitgliedschaft in der gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft Viechtach eG. Kreisrat Schedlbauer hatte darauf hingewiesen, dass bei einer Beendigung die Genossenschaft rund 8000 Euro an den Landkreis zahlen müsse. Dies sei angesichts der knappen Finanzlage der Wohnungsbaugenossenschaft eine hohe Summe. Er bat um den Verbleib in der Gesellschaft, dem schloss sich eine Mehrheit der Kreisräte an.

Beim Bericht des Kreisbehindertenbeauftragten erfuhren die Kreisräte, dass Helmut Plenk auch in diesem Jahr wieder vielbeschäftigt war. Er hatte zahlreiche Stellungnahmen abzugeben und er setzte sich verstärkt für die Barrierefreiheit ein. Zudem wies er darauf hin, dass es bei behindertengerechten Wohnungsumbauten durchaus vergünstigte Darlehen geben kann.

Abschließend gab es die traditionellen Ansprachen der Fraktionssprecher und des Landrats zum Jahresabschluss.

Meldung vom: 16.12.2014