Die „Allrounder“ im Landratsamt

 - Landrat Michael Adam zusammen mit den Bürgerbüromitarbeiterinnen Doris Werner und Monika Lallinger (re.). Foto: Hofbauer/Landratsamt RegenEin Blick hinter die Kulissen und den täglichen Wahnsinn im Bürgerbüro Regen

von Theresa Hofbauer

Regen. Das Telefon klingelt pausenlos. Gleichzeitig nimmt das harte Tippen in die Computertastatur fast schon rhythmische Züge an. Nicht nur der Lärm der Bauarbeiter dringt in diese Sphäre, sondern auch laute Stimmen von Menschen in der Eingangshalle tragen ihren Beitrag zu einem lauten Geräuschpegel bei. Türen werden zugeschlagen, das Faxgerät spuckt ununterbrochen neue Seiten aus und das Telefon hört einfach nicht auf zu klingeln. Wie hält man es hier nur aus?

Diese Geräuschkulisse gleicht fast einem Experiment, bei dem die Belastbarkeit von unschuldigen Personen getestet wird. Dabei ist es der tägliche Wahnsinn, der sich im Bürgerbüro des Landratsamtes in Regen abspielt. Die unschuldigen Personen heißen in diesem Falle Doris Werner und Monika Lallinger. Beide Ansprechpartnerinnen bieten seit der Einführung des Bürgerbüros 2012 für „alle Lebenslagen“ Unterstützung.

Zu ihren Aufgaben gehören die Organisation der bayerischen Ehrenamtskarte, Sportehrenabende, Sportförderung und zahlreiche andere Projekte wie die Sprachpatenschaft oder SchülerAKTIV. Doch damit nicht genug. Nebenbei kümmern sich die zwei Damen um das Amtsblatt, das zentrale Schriftgut und um das heiß gelaufene Faxgerät. Bei genauerem Betrachten fällt auf, dass Lallinger und Werner kaum eine ruhige Minute haben, um ihre Projekte und Veranstaltungen organisieren zu können. Denn beide sind außerdem die erste Anlaufstelle für alle Probleme und Angelegenheiten der Bürger – egal ob über das Telefon oder via persönlichen Besuch im Bürgerbüro.

Es ist ganz normal, dass über 160 Telefonanrufe täglich mit den verrücktesten Anliegen eingehen. „Wir haben wirklich eine Strichliste geführt. Wir waren selbst überrascht. Das ist schon heftig“, gibt Lallinger zu. Am anderen Ende der Leitung sitzt dann ein Bürger, der sich aufregt, weil erst nach dem dritten Anruf nicht mehr besetzt ist. Doch die Telefonanrufe, die jeden Normalsterblichen wahrscheinlich zur Weißglut brächten, beantworten beide mit einem freundlichen: „Landratsamt Regen. Werner, Grüß Gott“ und „Der ist momentan leider nicht im Haus. Darf ich Ihnen seine Durchwahlnummer geben? Ja? Das wäre die 601 122. Bitte, gerne. Danke, Wiederhören“. Es scheint fast, als würden die zwei alle Nummern und Arbeitszeiten von ihren Kollegen auswendig wissen.

Kein noch so absurder Anruf kann sie aus der Ruhe bringen: „Letztens hat eine alte Frau bei mir angerufen“, erzählt Lallinger, „Die war so einsam und hat nach Tanzveranstaltungen und anderen Aktivitäten gefragt. Also habe ich mich mit ihr unterhalten und die Nummer der Stadtpfarrei Regen durchgegeben, weil diese für Senioren Werk- und Spielnachmittage durchführt.“ Ihre Tätigkeiten reichen weit über das vorgesehene Arbeitsfeld hinaus. Dazu kommen sämtliche Personen, die persönlich im Bürgerbüro vorbeischauen, um Anträge abzuholen oder nicht wissen, wohin mit ihren Problemen und an wen sie sich wenden sollen.

Wie schaffen es die beiden „Allrounder“ im Landratsamt, einen aufgeregten Bürger am Telefon zu beruhigen, gleichzeitig ein Auto zu reservieren, einen Brief für die Ehrenamtskartenverleihung fertigzustellen, einen Urlaubsantrag auszuhändigen, dabei am PC einen Text zu lesen und schnell mal 250 belegte Brötchen für die nächste Veranstaltung zu bestellen?

Diese anspruchsvolle Aufgabe fordert hohe Konzentration, enorm viel Geduld und Flexibilität. Bei all den unterschiedlichen Sachverhalten der Bürger wird bei jeder Angelegenheit ein großes Maß an Freundlichkeit erwartet. Mit den straffen Arbeitszeiten und 35 bis 39 Wochenstunden ist es nicht leicht, dass sich diese Freundlichkeit nicht langsam erschöpft. Hinzu kommt, dass Werner und Lallinger nicht wie alle anderen Mitarbeiter im Landratsamt die Möglichkeit der Gleitzeit beanspruchen können, sondern das Büro rund um die Uhr besetzt sein muss. Mittagspause wenn nur eine der beiden im Büro ist? Fehlanzeige. „In der halben Stunde kann ich fast nichts erledigen. Ich esse dann nur kurz im Büro“, sagt Lallinger.

Doch neben der Mittagspause und den erwarteten Qualifikationen werden die beiden vor weitere Schwierigkeiten gestellt. „Meistens wissen die Bürger nicht, wohin mit ihren Problemen und wer dafür überhaupt zuständig ist. Wir brauchen ein offenes Ohr und Fingerspitzengefühl, um die einzelnen Anliegen herauszufinden und für unsere Sachbearbeiter im Haus vor zu sortieren“, erklärt Werner.

Mit dem Zeitdruck und der hohen Verantwortung schleicht sich ein starkes Pflichtgefühl ein, das fordert, dass sämtliche private Aufgaben oder Probleme natürlich zurückgestellt werden müssen. Wenn bei einem solchen Arbeitspensum dann noch eine der beiden Ansprechpartnerinnen ausfällt, scheinen die ganzen Aufgaben kaum zu bewältigen zu sein. Doch irgendwie schaffen sie es trotzdem. Selbst dann, wenn zehn Syrer aufkreuzen und unzählige Fragen über Asylanträge in anderer Sprache stellen.

Häufig scheint es fast, als könnten Lallinger und Werner schon die Wünsche von den Bürgern und Mitarbeitern von den Augen ablesen. Egal ob also ein wichtiges Dokument gefaxt werden muss, Unterlagen bestellt oder etwas kopiert werden soll – die beiden sind für jeden Einzelnen immer zur Stelle.

Wieso wird man aber Ansprechpartnerin im Bürgerbüro in Regen? „Die enorme Vielfalt, die uns täglich erwartet. Die Abwechslung. Das macht eigentlich am meisten Spaß“, antworten beide, selbst wenn sie oft, wie Lallinger sagt, „der Prellbock für die Bürger“ sind. Ob dieser Job glücklich macht? Bei dieser Frage lachen beide. Und schweigen, bis Werner erwidert: „Naja… es gibt manchmal Tage, die ganz okay oder gut sind und wir zufrieden das Büro verlassen. Und dann gibt es wieder Tage, die sind zum davon rennen. Wie in jedem anderen Beruf halt auch.“

Wer also bis dato glaubte, dass die Aufgabe der Ansprechpartnerinnen im Bürgerbüro lediglich im Telefondienst wie in einem Call-Center besteht, kann sich bei einem Besuch vom Gegenteil überzeugen. Die Arbeit ist weitaus anspruchsvoller und wird oft unterschätzt. Nicht zuletzt ähneln der ganze Stress und die ständige Ablenkung einem Experiment für die menschliche Belastbarkeit. Doch Monika und Doris stellen sich dieser Herausforderung Tag für Tag und meistern alle Hürden. Wer einen Blick hinter all die Tätigkeiten im Bürgerbüro riskiert, wird schnell merken, was die beiden alles leisten und wie viel Anerkennung und Respekt sie dafür verdienen.

Meldung vom: 07.01.2016