Mobbing ohne Schuldzuweisung beenden

 - Fachkräfte aus Jugendhilfe und Schule beim Workshop Mobbing beenden mit dem Ansatz "no blame approach" Foto: Landkreis Regen, Fachkräfte   lernen Ansatz „no blame approach“ zur Mobbingintervention kennen

Regen. Durchaus beeindruckend waren die Zahlen, die Referent Jörg Breitweg den Teilnehmern des Workshops „no blame approach“ in seinen einführenden Worten schilderte. In einer Evaluation aus den Jahren 2007 und 2008 konnten in über 80 Prozent der untersuchten Mobbingfälle an Schulen, die mit diesem Ansatz arbeiteten, die Attacken gegen Opfer von Mobbing beendet werden. Dabei handelt es sich um einen Interventionsansatz, der ganz ohne Schuldzuweisungen arbeitet und sicher nicht zum ersten Mal die Anwesenden Fachkräfte aus Jugendhilfe und Schule verblüffte.

Eingeladen zum eintägigen Workshop hatte Kommunaler Jugendpfleger Dirk Reichel, der im Kreisjugendamt auch die Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) koordiniert. Im Arbeitskreis der JaS wurde der Wunsch für einen solchen Workshop bereits im vergangenen Schuljahr von den Fachkräften geäußert. Nun konnte kürzlich Jörg Breitweg, Referent für Gewaltprävention bei der Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern aus München für den Kurs gewonnen werden.

Jugendamtsleiter Martin Hackl, der mit Breitweg einen Kollegen aus seiner alten Jugendpflegerzeit erneut im Landkreis willkommen heißen konnte, zeigt in seiner Begrüßung die die wichtige Schnittstelle der Jugendhilfe zur Schule auf. Vier Jugendsozialarbeiter sind derzeit im Landkreis an den Sonderpädagogischen Förderzentren und den Mittelschulen in Regen und Viechtach im Einsatz. Umso mehr freute sich Hackl, dass auch Lehrkräfte die Reichels Einladung gefolgt waren. Tagesziel war es, zum einen Hintergrundinfos zu Mobbing unter Schülern zu bekommen und zum anderen einen Ansatz zu erlernen, der Mobbing an der Schule beziehungsweise in den betreffenden Klassen beendet.

Am Vormittag zeigte Referent Breitweg auf, welches System hinter Mobbing steckt und dass in der Regel allen Beteiligten in einer Klasse bestimmte Rollen zugeschrieben werden können. Selbst ein Klassenlehrer ist in seiner Rolle oftmals gefangen und ratlos. Anhand einer Übung konnte der Referent die aussichtslose Situation für verschiedene Rollen in diesem System gut aufzeigen. In der Diskussion wurde den Teilnehmern sehr schnell klar, dass das Mobbingopfer ohne fremde Hilfe die Attacken gegen sich nicht allein auflösen kann. Weitere Erkenntnisse der Gruppe wurden in der Diskussion rasch ersichtlich: Mobbing kann jeden treffen. Das Opfer verliert jegliche Kontrolle. Verschiedene Stabilisatoren begünstigen das Mobbingsystem. Mit einem systemischen Ansatz, den der „no blame approach“ verfolgt, können Attacken gegen das Opfer beendet werden, wiederum gemeinsam in einer Gruppe. Dabei richtet sich der Blick in der Intervention auf die Zukunft, die Klärung der Schuldfrage bleibt aus und brauch es auch nicht. Der „no blame approach“ findet bei akuten Situationen seine Anwendung. Breitweg machte deutlich, dass es vor allem darauf ankäme, genau herauszufinden, ob es sich lediglich um Konflikte, wie zum Beispiel soziale Ablehnung, oder tatsächlich um Mobbing handelt. Im Falle von Mobbing wäre es in einem ersten Schritt wichtig, dem Opfer zu signalisieren, dass es nicht an ihm liege. Alles andere sei kontraproduktiv, so Referent Breitweg.

Der Nachmittag war geprägt von praktischen Übungen, bei denen die Teilnehmer den jeweiligen Ablauf des Ansatzes kennenlernen und nach jeder Übung über ihre Eindrücke und Empfindungen reflektieren konnten. Schnell wurde klar, das mit Hilfe des „no blame approach“ Mobbing beendet werden kann und der Schlüssel dafür, in der Arbeit mit der Unterstützergruppe liegt. Diese fungieren als Experten, die den Pädagogen in der Beendigung der Attacken unterstützen. Und genau das ist oftmals auch ein Kritikpunkt von Fachleuten, da der Ansatz keine Schmerzen des Opfers heilen kann sondern vielmehr „nur“ die Attacken beendet. Breitweg ist aber davon überzeugt, dass es den Betroffenen oftmals gut tut, wenn in einem ersten Schritt die Attacken beendet werden können. Gegebenenfalls würden flankierend zum „no blame approach“ auch weitere Maßnahmen notwendig werden.

In der Abschlussrunde waren sich die Beteiligten des Workshops weitgehend einig, dass man sich Mobbingfälle an den Schulen nicht wünscht. Mit Hilfe des „no blame approach“ und dem eintägigen Einblick in den Ansatz hätten sie nun aber für akute Fälle eine Handlungsoption im Methodenkoffer. Für den praxisnahen Input bedankte sich Kommunaler Jugendpfleger Dirk Reichel am Ende bei Referent Jörg Breitweg, der abschließend den Teilnehmern Mut machte, den erlernten Ansatz anzuwenden.

Meldung vom: 30.06.2015