Pubertät bei Pflegekindern – Dr. Hermann Scheuerer-Englisch referierte vor Pflegefamilien

 - Dr. Hermann Scheuerer-Englisch referierte vor den Pflegeeltern. Foto: Kiescher/Landkreis Regen

Regen. Pflegefamilien nehmen eine wertvolle Aufgabe in unserer Gesellschaft wahr. Sie bieten Kindern ein Zuhause, die aus unterschiedlichen Gründen nicht bei ihren Eltern leben können. In dieser anspruchsvollen Aufgabe unterstützt der Pflegekinderdienst des Kreisjugendamtes Regen seine Pflegefamilien unter anderem durch regelmäßige Fortbildungen.

Referent der diesjährigen Halbtagesveranstaltung zum Thema Pubertät war Dr. Hermann Scheuerer-Englisch, Leiter der Erziehungsberatungsstelle der Katholischen Jugendfürsorge für die Diözese Regensburg, Lehrbeauftragter an der Universität Erlangen/Nürnberg mit Schwerpunkt Entwicklungspsychopathologie und Autor von Büchern. Die Veranstaltung mit dem Titel „Lass mich los und halt mich fest“ – Reflexionen zum Umgang mit jugendlichen (Pflege-)kindern in der Familie fand großes Interesse bei knapp 30 Pflegeeltern aus dem Landkreis Regen.

Die Pubertät ist die Phase des Übergangs vom Kind zum Erwachsenen. Es ist die Zeit der Ablösung von den Eltern, die Zeit der körperlichen Veränderungen und der ersten Liebe, die Zeit der intensiven Gefühlsausbrüche und der Identitätssuche. Hormonausschüttungen lösen die Pubertät aus. Die für das vernünftige Denken und vorausschauende Planen zuständige Hirnrinde wird „umgebaut“, Nervenverbindungen verlangsamt. Es zählt das „Hier und Jetzt“. Trägheit, Entscheidungsunlust und Labilität des jungen Menschen sind nicht selten. „Manche Jugendliche schwanken in der Pubertät zwischen Grandiosität und Depression“, berichtet der Refernt und ergänzt: „Der Einfluss der Eltern schwindet, die Gleichaltrigengruppe erhält mehr Gewicht.“

In dieser Zeit sei es wichtig, dass die Eltern weiterhin mit ihnen in Beziehung bleiben, Reibungsfläche bieten, Gesprächsbereitschaft signalisieren. Für die Erwachsenen ist es eine Gratwanderung zwischen Fordern und Fördern. „Es ist wichtig, dass die Eltern dem Jugendlichen vermitteln, dass sie auf seine Stärken und nicht vordergründig auf seine Schwächen schauen.“ Weicht aber das Selbstbild des Jugendlichen stark von der Realität ab, soll ihm die „Wahrheit in Liebe“ gesagt werden.

Die Pubertät bringt nun bei Pflegekindern noch einmal eine andere Qualität mit sich. Ausgehend von den frühkindlichen Erfahrungen der Pflegekinder und ihrer besonderen Situation der zwei Elternsysteme ist die Ausgangslage für Pflegeeltern und -kinder keine einfache. Während sich das Kind in der Zeit des Aufenthalts aber zunächst in Richtung eines gesunden Lebenswegs zubewegt, kann es in der Pubertät wieder aus der Bahn geworfen werden, da zu den normalen Problemen in der Pubertät noch die spezifischen eines Pflegekindes kommen. Manche Teilbereiche der Pubertät erlebt das Pflegekind besonders intensiv, in anderen Teilbereichen ist es gefährdeter. Alte Beziehungsmuster aus der Zeit, als das Kind noch in der Herkunftsfamilie lebte, können wieder aufflammen. Der Leitsatz für die Pflegeeltern zum Überstehen dieser turbulenten Zeit sollte sein, dass sie ruhig und gelassen auf die Gefühlsstürme des Pflegekindes in der Pubertät reagieren. Sie sollen da sein für den jungen Menschen, ihn mit gesundem Abstand beobachten und Probleme in beschreibender Sprache ansprechen, gab der Referent den Familien abschließend mit auf den Weg.

Hintergrund
Pflegefamilien sind für einen Teil der Kinder in unserer Gesellschaft die beste Möglichkeit Korrekturen anzubieten und für die Pflegeeltern ist es gut zu wissen, dass trotz aller Turbulenzen im Verlauf des Pflegeverhältnisses das, was sie den Kindern auf ihren Lebensweg mitgeben, nicht verloren geht. Der Pflegekinderfachdienst des Landratsamtes Regen sucht nach wie vor engagierte Familien, die bereit sind, benachteiligten Kindern für einen begrenzten Zeitraum oder auf Dauer ein Zuhause zu geben. Wer Interesse an dieser anspruchsvollen Aufgabe hat und sich darüber informieren möchte, kann sich jederzeit beraten lassen. Der Pflegekinderfachdienst ist telefonisch unter folgender Telefonnummer erreichbar: 09921/601-437.

Meldung vom: 08.01.2015