Auszeichnung ging an fünf verdiente Landkreisbürger für ihr soziales Engagement
Regen. „Eigentlich hätten Sie die Medaillen längst bekommen sollen, aber in Zeiten der Pandemie mit Einschränkungen bei den Zusammenkünften, konnte man keine würdevolle Übergabe machen“, sagte Landrätin Rita Röhrl bei der Übergabe der Bundesverdienstmedaillen an das Ehepaar Maria und Franz Haslinger, Marianne Vorig, Julia Ochsenbauer und Helga Fischl. Die Landrätin hatte die zu Ehrenden nebst den Bürgermeistern ihrer Heimatgemeinden in den ehemaligen Sitzungssaal des Landratsamtes zu einer kleinen Feierstunde eingeladen.
Vorab schilderte die Landrätin, dass sie jedes Jahr viele gute Vorschläge erreichen, sie aber nur einen Teil davon zur Ehrung vorschlagen dürfe. „Die Endauswahl trifft das Bundespräsidialamt“, erklärt sie, aber schon die Vorauswahl „sei keineswegs einfach.“ Durch die Vorauswahl könne sie aber mit Sicherheit sagen, dass jede Ausgezeichnete und jeder Ausgezeichneter sich die Ehrung wirklich verdient hat.
Hilfe für Kinder in Nepal
Als erstes wurden Maria und Franz Haslinger geehrt. Die Landrätin erinnerte daran, dass im Frühjahr 1995 der Verein Kinderhaus Kathmandu gegründet wurde. „Seit diesem Zeitpunkt sind Sie beide engagierte Mitglieder in dieser Organisation. Sie haben sich über das normale Maß hinaus für die Schwächsten der Gesellschaft eingesetzt und sich so unschätzbare Dienste erworben“, berichtet Röhrl. Der Verein sei gegründet worden, „um elternlosen und bedürftigen Kindern und Jugendlichen in Nepal ein Zuhause zu geben und ihnen eine Schul- und Berufsausbildung zu ermöglichen. Im Laufe der Jahre konnte das Projekt mehr und mehr ausgeweitet werden. So besteht mittlerweile neben den Kinderhäusern eine eigene Schule sowie vier weitere Schulen, die der Verein unterstützt. Außerdem können dank tatkräftiger Spender Schulpatenschaften für bedürftige Kinder angeboten werden. Darüber hinaus engagiert sich der Verein in der Erwachsenenbildung und auch in der Gesundheitsfürsorge“, weiß die Landrätin. Um dies zu ermöglichen brauche der Verein Geld und dies haben die Haslingers fleißig und kreativ eingesammelt. Sie organisierten in Frauenau Dorfteilfeste, sie berichteten in Vorträgen und gestalteten Basare, um nur einige Beispiele des Engagements zu nennen. In Film- und Fotovorträgen zeigten sie den Unterstützern, wie sich der Einsatz lohnt. Nach den Erdbeben im April und Mai 2015 waren die beiden besonders aktiv, immer mit dem Ziel den Menschen zu helfen. „Menschen wie Maria und Franz Haslinger sind Vorbilder. Sie haben im Verein Kinderhaus Kathmandu Ihre Ideen und Ihre Energie uneigennützig für andere eingesetzt und damit viel Gutes bewirkt“, stellte Röhrl fest und überreichte die Bundesverdienstmedaillen an Maria und Franz Haslinger.
Unterstützung für Asylbewerber
Mit Marianne Vorig durfte Landrätin Röhrl eine ehrenamtliche Helferin für Asylbewerber ehren, die deren Engagement schon lange vor der sogenannten Flüchtlingswelle im Jahr 2015 begann. Als im Jahr 2007 die Flüchtlingsunterkunft in Böbrach-Maisried eröffnet wurde, war Vorig „eine Frau der ersten Stunde.“ Sie brachte den Bewohnern die deutsche Sprache bei und als im Jahr 2012 ein Feuer die Unterkunft unbewohnbar machte, kümmerte sich Vorig, zusammen mit dem zweiten Bürgermeister der Gemeinde Böbrach darum, dass die Bewohner rasch andere Unterkünfte beziehen konnten. Auch in den Unterkünften in Ruhmannsfelden und Viechtach war und ist sie aktiv. Dabei ist sie nicht nur als Deutschlehrerin aktiv, sie hilft bei Behördengängen, beim Ausfüllen von Anträgen und Formularen und steht den Bewohnern mit Rat und Tat zur Seite. Im Arbeitskreis Asyl und Integration und im Helferkreis ist Vorig überdurchschnittlich engagiert. „Du beteiligst dich seither überdurchschnittlich viel an den anfallenden Aufgaben bei der Integrationsarbeit für Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft Viechtach und für Flüchtlinge mit Anerkennung. Du bist für die Menschen eine echte Stütze und eine wirkliche Helferin“, sagte Landrätin Rita Röhrl und ergänzt: „Während der mehrwöchigen Quarantäne und der Ausnahmesituation in der GU Viechtach warst Du eine wichtige Akteurin und Unterstützerin für den Helferkreis Viechtach. Du hast in den letzten Jahren mehr denn je verstanden, andere Helfer und auch Akteure in den Ämtern, Behörden und Institutionen bei der Arbeit im Bereich Integration miteinzubinden.“ Röhrl erinnerte in diesem Zusammenhang auch an Vorigs politisches Engagement. Sie war 17 Jahre Stadträtin in Viechtach und 24 Jahre als Kreisrätin aktiv, auch dort sei sie durch ihren sozialen Einsatz aufgefallen. Auch aus dieser Zeit kennen sich Röhrl und Vorig sehr gut, so sei es ihr eine besondere Freude die Ehrung an Vorig zu überreichen. „Liebe Marianne, Du bist seit vielen Jahren eine höchst engagierte ehrenamtlich tätige Helferin für Flüchtlinge und setzt Dich damit für Demokratie und Menschenwürde ein. Ich darf Dir deshalb nun die Bundesverdienstmedaille überreichen.“
Jahrzehntelange Pflege der Halbschwester
Julia Ochsenbauer aus Tresdorf zeige, dass man christliche Nächstenliebe wirklich leben kann. Ochsenbauer engagiert sich seit Jahrzehnten in der Pfarrei. Sie sammelt seit fast 25 Jahren für die Caritas, immer zweimal jährlich in Tresdorf. Seit 20 Jahren ist sie Lektorin in der Pfarrkirche und hier drei bis vier Mal monatlich im Einsatz. „Sie tragen im Gottesdienst die für den jeweiligen Tag vorgesehenen Schriftlesungen und Fürbitten vor. Ebenfalls seit 20 Jahren leiten Sie den Mütterverein der Pfarrei Viechtach. Hier organisieren Sie, Frau Ochsenbauer, alle paar Wochen Seniorennachmittage, bei denen es Kaffee und Kuchen gibt. Es werden Geschichten vorgelesen, außerdem wird immer ein Referent eingeladen, der die Teilnehmer zu verschiedenen Themen informiert. Was Sie jedoch besonders auszeichnet, ist bzw. war ihre Fürsorge für die älteste Halbschwester Anna, genannt das Annerl, die an Silvester 2019 verstarb“, berichtet Röhrl aus dem Leben der neuen Trägerin der Bundesverdienstmedaille. Ihre Halbschwester, das Annerl, erblickte im Jahr 1933 das Licht der Welt. Sie war zu hundert Prozent schwerbehindert. „Laut den damals praktizierenden Ärzten wurde eine Lebenserwartung nicht länger als bis zum 11. Lebensjahr prognostiziert. Das Annerl konnte nicht sprechen und nahm kaum Notiz von ihrer Umwelt, war allerdings körperlich erstaunlich gesund“, erzählte die Landrätin in der Laudatio. Nach dem Tod der ersten Ehefrau heiratet Annerls Vater noch einmal und bekam mit der neuen Ehefrau zwei Kinder, eine davon war Julia Ochsenbauer. Vor über 50 Jahren übernahm Julia Ochsenbauer dann die Pflege ihrer Halbschwester. Sie kümmerte sich rührend und liebevoll um das Annerl und nahm dabei auch alle Widrigkeiten in Kauf. Sie kochte täglich weiches Essen, da ihre Schwester keine festen Mahlzeiten zu sich nehmen konnte, sie kümmerte sich um die Pflege, was zuletzt auch das Wickeln umfasste. Das alles machte sie, obwohl sie selbst drei Kinder großzog und sich um den Hof kümmern musste. „Tag und Nacht mussten Sie für ihre Halbschwester da sein, um ihr das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten und ihr überhaupt das Verbleiben in der häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Wie wichtig dies für den Pflegebedürftigen ist und mit wie viel Müh und Sorgen dies für die Helfenden oft verbunden ist, lässt sich oft nur erahnen. Mittlerweile kümmern Sie sich auch liebevoll um ihren ledigen Bruder, der auch auf dem Hof lebt und Pflegestufe I hat. Diese tätige Nächstenliebe und Opferbereitschaft über 50 Jahre lang verdient größte Anerkennung und Respekt. Ich darf Ihnen deshalb nun die Bundesverdienstmedaille überreichen“, sagte Röhrl und überreichte die Medaille an Julia Ochsenbauer.
Seit 18 Jahren wird der Bruder gepflegt
Auch Helga Fischl wurde für die Pflege eines Familienangehörigen geehrt. „Seit dem Jahr 1993, dem Tod der Mutter, lebt Ihr geistig schwerbehinderter Bruder Winfried in Ihrem Haushalt. Ihr Ehemann Rupert hatte nichts gegen die Aufnahme in die Familie. „Hätten Sie nach dem Tod der Mutter nicht die Betreuung des Bruders übernommen, wäre eine Unterbringung in einem Pflegeheim unumgänglich gewesen. Seit dem Tod Ihres Ehemannes 2008 müssen Sie sich zudem alleine um Winfried kümmern“, sagte Landrätin Röhrl in ihrer Laudatio. Winfried, geboren im Januar 1949, ist von Geburt an zu hundert Prozent geistig behindert und hat mittlerweile Pflegestufe V. Am Wochenbett wurde für ihn bereits die Sterbekerze aufgestellt, aber wie durch ein Wunder überlebte er. „Winfried kann weder Schreiben noch Lesen noch Rechnen und ist nicht geschäftsfähig. Er ist kaum zu verstehen, aber gutmütig. Er ist Ihnen für die körperliche und geistige Versorgung sichtlich dankbar“, konnte Röhrl berichten. In den vergangenen Jahren hat er auch körperlich abgebaut, so dass er quasi rund um die Uhr gepflegt werden muss. „Winfried ist dank Ihnen eine gepflegte Erscheinung, der aber gelegentlich in Tränen ausbricht und dann sehr lethargisch wirkt. Im Spätherbst 2018 ließen Sie das Bad verbessert behindertengerecht ausbauen, damit Winfried weiter bei Ihnen im Haus bleiben kann. Sie können Winfried nun zum Duschen mit dem Rollstuhl hineinfahren“, erklärte Röhrl. Ein weiterer harter Schicksalsschlag traf Helga Fischl, als sie erfuhr, dass ihr Sohn Rupert an Krebs erkrankte. Röhrl wusste, dass Fischl auch für ihn die mentale Stütze war, „wenn er mit seinem Schicksal haderte. Leider ist er im August 2020 verstorben. Sehr geehrte Frau Fischl, Sie sind eine wahre Heldin des Alltags, die seit 25 Jahren ein leuchtendes Beispiel für Mitmenschlichkeit ist, die Ihre Interessen immer hintenanstellt, keinen Urlaub kennt und sich für ihre Familie aufopfert. Ich darf Ihnen daher nun die Bundesverdienstmedaille überreichen“, so die Landrätin abschließend.
Den Glückwünschen der Landrätin schlossen sich auch die Glückwünsche der Bürgermeister an. So waren Franz Wittmann (Viechtach), Andreas Eckl (Prackenbach), Richard Gruber (Geiersthal) und Fritz Schreder (Frauenau) zur Übergabefeier gekommen. Schreder hatte zudem seinen Amtsvorgänger Herbert Schreiner mitgebracht, denn Schreiner hatte das Ehepaar Haslinger in seiner aktiven Zeit der Landrätin zur Ehrung vorgeschlagen.